Was ist Radierung ?
  Die Plattenherstellung

Wilhelm Buschulte - Kind

Bei der Kaltnadel-Technik wird das Motiv mit einer Radiernadel direkt in die Plattenoberfläche geritzt. Jeder Strich erzeugt eine Vertiefung und ein oder zwei Grate, die beim Druckvorgang die Farbe enthalten. Je nach Nadelart, Plattenmaterial, Krafteinwirkung und Strichführung können sehr dynamische, lebendige Zeichnungen und Strukturen entstehen. Die Wirkung des Striches ist dabei weich bis samtig. Prinzipiell kann jedes Werkzeug verwendet werden, welches die Metalloberfläche "verletzt" und Spuren hinterlässt. Abweichend von der gängigen Meinung empfehle ich "Kaltnadel" nicht für Anfänger, da es sehr viel Kraft und Übung erfordert, die Strichrichtung in dem zähen, widerspenstigen Plattenmaterial (besonders beim Kupfer) zu kontrollieren.

   

Wilhelm Buschulte - Landschaft

Bei der Strichätzung wird die Metalloberfläche entfettet und mit einer Radierschicht lackiert. Auch die Rückseite wird geschützt. Die Zeichnung wird z.B. mit einer Nadel in die getrocknete Lackschicht eingeritzt und danach im Säurebad geätzt. Es wird nur der Lack vollständig durchstoßen, nicht aber in das Metall vorgedrungen, um Kaltnadel-Wirkungen zu vermeiden. Durch unterschiedliche Nadeln und unterschiedliche Ätzzeiten können beliebige Strichstärken erzeugt werden. Anfängern empfehle ich diesen Einstieg, da Kraft - und Zeitaufwand relativ gering sind. Die Bildwirkung einer Strichätzung ähnelt einer Federzeichnung und ist eher kühl - kann aber beim späteren Druckvorgang eventuell malerischer gestaltet werden.

   

Paul Egidius - Planeten ’72

Die Aquatinta-Ätzung erfordert eine besonders gründliche und gleichmäßige Entfettung, bevor die später hellen Partien mit Asphaltlack abgedeckt werden. Danach kann in einem Staubkasten ein gleichmäßiger Kolophoniumstaub-Niederschlag erzeugt werden. Diese Staubschicht (sehr empfindlich gegenüber Erschütterungen oder Luftzug) wird angeschmolzen. Zwischen den nun entstandenen Kolophoniumtröpfchen kann die Säure das Metall angreifen. Es sind beliebig viele Ätzstufen (Halbtonstufen) möglich, indem jeweils neu mit Lack abgedeckt und erneut geätzt wird.
Alternativ zum Staubkasten kann das Kolophoniumpulver auch mit Hilfe eines Mull-Beutels durch ein Metallsieb auf die Platte gebracht werden. Bei diesem so genannten Beutelkorn lässt man den feinen bis groben Kolophoniumstaub von Hand auf die Platte rieseln und erzeugt eine unregelmäßige lebendig-malerische Struktur.

   

Jockel Reissner - Schmetterling

Die Weichgrund-Technik erfordert im Gegensatz zu den anderen Ätztechniken ein gleichmäßiges Einfetten mit Rindertalg. Beim anschließenden Auftrag des Weichgrundes mit der Lederwalze wird die Platte gleichmäßig erwärmt. Vernis Mou (Weichgrund) ist als Hütchen oder in Porzellantöpfchen erhältlich oder kann als eigene Rezeptur angemischt werden. Man fixiert die Druckplatte auf geeignetem Untergrund (Tisch, Holzplatte, o.ä.) und legt einen Bogen Papier darauf, der (meist oben) befestigt wird. Mit einem Stift wird auf das Papier gezeichnet. Hierbei löst sich der Weichgrund, abhängig vom Härtegrad des Stiftes und von der Druckstärke unterschiedlich stark von der Platte und haftet an der Papierunterseite. Im anschließenden Säurebad werden die dunklen Bereiche der Zeichnung stärker (dunkler) geätzt - d.h.: der Eindruck des Druckes entspricht in etwa der Papierzeichnung. Die Wirkung gleicht einer Buntstift- oder Bleistiftzeichnung - je nach Papierstruktur mehr oder weniger körnig. Anstatt eines aufgelegten Papieres mit anschließender Zeichnung können auch unterschiedliche Materialien wie: Gewebe, Leder, Pflanzenteile, grobes Papier usw. in die Weichgrundschicht eingedrückt  und danach geätzt werden.

   

Udo Claassen - Isländische Landschaft

Bei der Mezzotinto - Technik, auch Schabkunst genannt, wird die Kupfer - oder Messingplatte zunächst mit einem Wiegemesser (Wiegeeisen) absolut gleichmäßig aufgeraut. Hierbei werden mit der Zahnung des Wiegemessers (gepunktete) Linien erzeugt, welche möglichst ohne Zwischenraum aneinandergesetzt werden. So wird zunächst in einer Richtung die gesamte Platte an jeder Stelle absolut gleich behandelt. Danach wird diese Prozedur über Kreuz und in den beiden Quer-Richtungen wiederholt. Einige Künstler bearbeiten ihre Platten unter extremem Zeitaufwand nicht nur in 4, sondern in 36 Richtungen. Das Resultat ist eine gleichmäßig tiefschwarz druckende Fläche. Mit dem Schaber werden nun die hellen Partien herausgeschabt, - je nach dem gewünschten Grauwert unterschiedlich stark. Die helleren Grau-Bereiche und die hellsten „Lichter“ werden mit einem Polierstahl und etwas Öl spiegelglatt poliert.
Die Mezzotinto -Technik zeichnet sich durch ihr tiefes Schwarz und den sehr weichen, samtartigen Bildcharakter aus. Die Oberflächenstruktur der gedruckten Schwarzflächen ist im Idealfall total lichtabsorbierend. Dieser Eindruck lässt sich mit keiner anderen Technik nachahmen.

   

Jochen Geilen - Selbst

Beim Kupferstich werden Linien in die Kupferplatte graviert. Anders als bei der Kaltnadel wird nicht Material verdrängt sondern Späne „herausgegraben“. Mit den unterschiedlichsten Stichelformen (Grabstichel, Fadenstichel, Korrekturstichel usw.) lassen sich vielfältige Wirkungen erarbeiten. Dunkle Bereiche werden durch mehrlagige Schraffuren – hellere Regionen mit unterbrochenen Strichen und Punkten erzeugt. Die Platte liegt beim Stechen auf einem sandgefüllten Lederkissen und wird dem Stichel zugeführt. Der Stichel selbst wird nicht, oder nur möglichst wenig bewegt, um die Strichführung sicherer zu gestalten. Durch die veränderbare Haltung des Stichels und unterschiedlichen Anpressdruck kann die Breite und Tiefe der Striche stufenlos variiert werden. Mehr oder weniger starke Grate an den Rändern der gestochenen Linien werden vorsichtig mit dem Schaber entfernt und anschließend mit einem Polierstahl und Öl geglättet, denn : weiche Kaltnadeleffekte würden in dieser „gestochen scharfen“ Umgebung als störende Fleckigkeit empfunden. Beim Stahlstich wird, bei ansonsten gleicher Arbeitsweise, die Stahlplatte vor der Bearbeitung geglüht (weicher bearbeitbar) und nach Fertigstellung wieder gehärtet.

   
Thomas Friedrich - Stilleben
Helio von 4 Platten

Die Heliogravüre oder Photogravüre ist ein fast in Vergessenheit geratenes Verfahren mit unvergleichlichen Merkmalen. Diese fotografisch - manuelle Methode ermöglicht Faksimiledrucke (wie das Original) von stark beschädigten, gefährdeten oder bereits restaurierten Originalen, wie Zeichnungen, Stichen oder Holzschnitten. Ebenso können aktuelle fotografische Kunstwerke mit der gleichen Technik neu hergestellt werden. Das besondere Merkmal dieser Methode ist die rasterlose, direkte Darstellung aller Halbtonwerte. Falls es angebracht erscheint, kann diese Bandbreite durch differenzierte Einflussnahme beim Druckvorgang erweitert werden, indem beispielsweise der Plattenton stellenweise angepasst, Kontraste verstärkt oder abgeschwächt werden. Aufgrund vielfältiger technischer Umwälzungen in der reproduzierenden Druckindustrie stehen allerdings einige erforderliche Materialien nicht mehr zur Verfügung oder sind nur sehr schwer erhältlich.

Die enorm aufwändige Herstellung in gekürzter Form :

1. Schwarzweiß-Halbton-Negativ und Halbton-Dia möglichst in Originalgröße herstellen.
2. Asphaltstaub auf Platte anschmelzen (im Staubkasten, wie beim Aquatintakorn).
3. Herstellen einer Pigmentkopie auf Pigmentpapier (mit aufgegossener Gelatineschicht).
4. Sensibilisieren in Kaliumbichromat.
5. Belichten (erfolgte früher mit Sonnenlicht - daher der Name), hierbei wird die Gelatine stellenweise gehärtet.
6. „Aufquetschen“ der Pigmentkopie auf die gekörnte Platte.
7. „Entwickeln“, d.h. auswaschen der nicht gehärteten Gelatine. Hierbei entsteht ein negatives Relief-Profil.
8. Lackieren der Kanten und der Rückseite.
9. Ätzen in meist 4 unterschiedlichen Ätzbädern.
10. Säuberung und eventuell erforderliche Korrektur.

 
Südportal der Wiesenkirche in Soest
Helio nach Kupferstich
   

Das Drucken

Papiervorbereitung
Büttenpapier wird am Vortag zugerissen und mit dem Naturschwamm gefeuchtet.
 

Einfärben der Druckplatten
Die größeren Flächen werden mit der Lederwalze, kleinere Bereiche beispielsweise mit einem Tupfer eingefärbt.

 

Wischen
Die überschüssige Farbe wird mit vorbereitetem Stramin, danach mit dem Handballen abgewischt bzw. manipuliert.

 

Drucken
Auf Zink oder transparenter Kunststoffunterlage werden Passkreuze für Papier und Platten markiert. Nacheinander werden Druckzink, eingefärbte Druckplatte, feuchtes Papier und 2 bis 5 Filztücher auf den Presstisch der Druckpresse gelegt und gemeinsam durchgezogen

(Die Druckfilze und das feuchte Druckpapier werden zunächst an einer Seite unter der Walze eingeklemmt und hochgeschlagen).

 
Trocknen und Glätten
Nach dem Druck werden die Blätter zwischen Finnischen Holzpappen getrocknet und geglättet.
 

Mehrfarbendrucke
Üblicherweise werden Farbdrucke mit je 1 Grundfarbe oder gemischten Farbe pro Platte gedruckt (Gelb-Rot-Blau-Schwarz). In den beiden Beispielen "Korallen" und "Sonne mit Schmetterlingen" von Elfriede Otto wird die gesamte Farbpalette incl. sehr dunkler Bereiche mit lediglich 3 Farbtönen und Platten erreicht.

 

Elfriede Otto - Korallen
3 Platten - 3 Farben                   

Sanfter Flügelschlag
3 Platten - 3 Farben
Weißer Mond
3 Platten - 7 Farben

 
Elfriede Otto - Regenbogen 1
3 Platten - 5 Farben
Regenbogen 2
3 Platten - 6 Farben
Brücke
3 Platten - 7 Farben

Extrembeispiele
In seltenen Fällen wurden schon mehr als 30 Farben von einer einzigen Platte gedruckt.
Ein weiteres Beispiel : Radierung mit 7 Druckplatten je 4 bis 9 Farben, wobei einige Farbtöne auf mehreren Platten wiederkehren.

 
Verstahlung
Da Druckplatten nach ca. 20 bis 40 Abzügen schwächer werden, können Kupfer- und Messingplatten vor dem Auflagendruck verstahlt werden.
Sicherheitshalber sollten nicht zu viele Blätter unverstahlt angedruckt werden.